Der Tourismus hat ein Problem: Er nimmt stetig zu und wirkt sich negativ auf Umwelt, Natur und Menschen aus. Mittlerweile haben sich viele Konzepte und Gegenentwürfe zum konventionellen Tourismus und dem damit verbundenen Problemen des Overtourism gebildet. Von Overtourism spricht man, wenn das prozentuale Aufkommen von Touristen in einem Land, in einer Stadt oder Region um ein vielfaches höher ist als die Zahl der Einwohner. Neben Ökotourismus und Sanftem Tourismus erwächst nun ein neuer Reisetrend: Der Undertourism. Wie der Name bereits vermuten lässt, liegt der Fokus hierbei auf Destinationen, die touristisch bisher noch nahezu unerschlossen sind. Das Ziel ist es, so wenig schädlichen Einfluss wie möglich auf die Umgebung zu nehmen und gleichzeitig die Unberührtheit genießen zu können. Wie jeder Reisetrend, birgt jedoch auch der Undertourism seine Risiken. Welche dies sind, erfahrt Ihr hier.
Seiteninhalt
Gründe & Folgen von Overtourism
Menschen aus aller Welt sind im Reisefieber. Die Gründe dafür sind vielfältig: Wir sind insgesamt mobiler geworden, der Flugverkehr hat in den letzten Jahren enorm zugenommen, gleichzeitig sind die Flugpreise günstiger geworden. Bis zu 200.000 Flugzeuge sind weltweit täglich in der Luft. Der Reiz, in ferne Länder zu reisen, ist gerade bei der Generation Y sehr hoch. Zudem ist die politische Lage weltweit stabiler denn je. Dies macht Reisen nicht nur sicherer, sondern auch einfacher. Durch Plattformen wie Airbnb können Unterkünfte privat und entsprechend günstig angeboten werden. Auch die verfügbare Anzahl an Unterkünften nimmt dadurch zu. Gleichzeitig wird der Lebensraum für Einheimische immer kleiner und teurer. Zudem kann die Popularität eines Reiseziels in Zeiten von Social Media schlagartig zunehmen und einen regelrechten Hype auslösen. Doch der Fortschritt hat seinen Preis: Der Besucherandrang aus dem Ausland lässt beliebte Urlaubsregionen buchstäblich aus allen Nähten platzen.
Betroffene Reiseziele
Unter Overtourism leiden derzeit beispielsweise die aus der Serie Game of Thrones bekannte kroatische Stadt Dubrovnik, Mallorca, die italienische Wasserstadt Venedig oder auch der griechische Instagram-Liebling Santorini. Die Städte bzw. Inseln versuchen bereits Maßnahmen zu ergreifen, um den Besucherstrom eindämmen zu können. So hat Dubrovnik die Zahl der Kreuzfahrtschiffe am Tag auf maximal zwei begrenzt und dadurch die Tagesbesucher reduziert. Venedig versucht mit Drehkreuzen und Eintrittsgeldern entgegenzuwirken. Mallorca kämpft seit Jahren gegen den sogenannten Sauftourismus und hat große Teile der Insel unter Bauschutz gestellt.
Undertourism
Undertourism stellt ein Gegenkonzept zum Massentourismus dar. Die Gründe für Undertourism sind vielfältig. Undertourists wollen keine zusätzliche Belastung erzeugen und gleichzeitig ihrem Wunsch nach Individualität und Ursprünglichkeit nachkommen. Der Trend geht weg vom Mainstream hin zur Entdeckermentalität: Nicht der Ort wird zum Grund der Reise, sondern das Erlebnis. Deshalb stehen bisher touristisch weniger bis kaum erschlossene Reiseziele im Fokus des Reisens, in denen der prozentuale Anteil gemessen an der einheimischen Bevölkerung sehr gering ausfällt. Dadurch ist nicht nur der negative Einfluss auf die bereisten Gebiete gering, es sind auch authentische Erfahrungen mit Land und Leuten möglich.
Reiseziele für Undertourism
Wer sich dem Reisetrend anschließen möchte, sollte also zwei Aspekte bei der Wahl des Reiseziels berücksichtigen: Die persönlichen Bedürfnisse und Ansprüche sowie das Aufkommen von Touristen am Zielort. Laut dem Tourism Density Index, der für 2018 weltweit die Dichte von Touristen in beliebten Urlaubszielen gemessen hat, sind folgende Länder Undertourism-geeignet:
- Papua Neuguinea (2,4%)
- Kenia (2,77%)
- Ägypten (5,64%)
- Iran (6,16%)
- Kolumbien (8,32%)
- Sri Lanka (10,22%)
- Peru (14,85%)
Die Prozentangaben beschreiben den Anteil von Touristen gemessen an der Einwohnerzahl des Landes. Zum Vergleich: In Kroatien lag der Tourism Density Index 2018 bei 1380,78%. Auf 4.170.600 Einwohner kamen 57.587.000 Touristen im Land. In Island waren es 565,74% mehr.
Risiken des Undertourism
Trends erzeugen Gegentrends. Im Falle von Massentourismus, der ökologische, soziale und ökonomische Nachteile mit sich zieht, sind solche Bewegungen gut und wichtig! Das Risiko eines neuen Trends ist jedoch genau das: Ein neuer Trend, der die eigentlich positiven Effekte durch die plötzliche Zunahme ins Gegenteil verkehrt. Diese Risiken sind vor allem beim Undertourism besonders hoch einzuschätzen. Schließlich handelt es sich um einen Reisetrend, der auch das Bedürfnis nach Authentizität und Abenteuer stillen soll. Und diesen Wunsch teilen viele Menschen. Durch Social Media, insbesondere Instagram, kann so in kürzester Zeit ein regelrechter Hype ausgelöst werden, der einen Ansturm auf ehemals ruhige und verlassende Ortschaften zur Folge hat. So ist es in der Vergangenheit der kleinen Gemeinde Hallstatt in Österreich ergangen, die heute täglich von Touristenmassen überrannt wird, die auf der Suche nach dem perfekten Schnappschuss sind. Auch das bis dato einsame Berggasthaus Aescher-Wildkirchli wurde quasi über Nacht durch Empfehlungen von Influencern berühmt und daraufhin regelrecht überrannt.
Fazit
Tourismus ist Segen und Fluch zugleich. Zu viel davon ist schädlich für die Umwelt, Natur und Einwohner. Zu wenig davon wirkt sich negativ auf die Wirtschaft und diejenigen aus, die finanziell von ihm abhängig sind. Wer umweltverträglich verreisen möchte, ist aktuell selbst in der Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, die möglichst wenig schädlichen Einfluss nehmen. Glücklicherweise kann jeder einzelne eine Menge tun, um seinen Urlaub ökologisch zu gestalten: Nutzt zur Anreise den Bus oder Zug anstatt des Flugzeugs, bucht eine kleine, privat geführte Unterkunft anstelle eines All Inclusive Hotels und weicht auf die Nebensaison aus.
- Reisen mit gutem Gewissen: Vor- & Nachteile des Sanften Tourismus
- Umweltsünder Kreuzfahrtschiff: Ökologische & nachhaltige Kreuzfahrten
- Overtourism: Städte wollen Besuchermassen in den Griff bekommen
- Elefantenreiten: Einmaliges Erlebnis oder No Go?
- Bei Ankunft Eintritt: Immer mehr Städte fordern Geld von Kreuzfahrttouristen